Geburtsgeschehen
Ein Kind kommt normalerweise auf die Welt, wenn die seine Entwicklung abgeschlossen ist. Für den Beginn von regelmäßigen geburtswirksamen Wehen ist das Zusammenspiel von mechanischen, hormonellen und nervalen Vorgängen verantwortlich. Der "Startschuss" für die Geburt geht vom Kind selbst aus.
Geburtsbeginn
Vor allem Erstgebärende haben Angst, dass sie den Geburtsbeginn verpassen und zu spät in die Entbindungsklinik gehen. Häufig ist jedoch das Gegenteil der Fall und die werdende Mutter kommt schon zu früh in die Klinik.
Die Anzeichen des Geburtsbeginns sind folgende:
- Bereits Tage oder Stunden vor Wehenbeginn löst sich der Schleimpfropf, der den Gebärmutterhalskanal nach außen hin während der Schwangerschaft verschlossen hat. Der Fötus wurde durch ihn vor aufsteigenden Keimen geschützt. Die Schwangere bemerkt den Ausfluss von Schleim, der auch blutig sein kann, aus der Scheide.
- Auch das Fruchtwasser kann bereits vor Wehenbeginn abgehen. Entweder passiert dies tropfenweise oder im Schwall. Die Schwangere merkt bei tröpfchenweisem Abgang des Fruchtwassers, dass ihre Unterwäsche immer wieder nass wird. Fruchtwasser unterscheidet sich in Geruch und Konsistenz deutlich von Urin. Einen Blasensprung mit Abgang von viel Fruchtwasser wird die Schwangere ohne viel Erklärungsbedarf bemerken. Vorsicht ist hier geboten. Die Schwangere sollte sich möglichst liegend und schnell in die Entbindungsklinik transportieren lassen, da die seltene Komplikation eines Nabelschnurvorfalls auftreten kann. Bei nur mäßigem Abgang des Fruchtwassers sollte sich die Schwangere in den nächsten Stunden in die Klinik begeben, da Mutter und Kind vor aufsteigenden Infektionen nicht mehr ausreichend geschützt sind.
- Mit dem Einsetzen von regelmäßigen Wehen beginnt die Geburt. Dabei sind die Übergänge zwischen recht heftigen Vorwehen, welche die Schwangere schon Tage bis Wochen vor Geburtsbeginn haben kann, und Eröffnungswehen fließend.
Wehenbeginn
Zuerst machen sich die Wehen durch einen menstruationsähnlichen Schmerz im Unterleib bemerkbar oder die Schwangere empfindet ein Druckgefühl im Bauch. Später werden die Wehen als krampfartiger Schmerz empfunden, der oft vom Kreuzbein ausgeht und dann den Bauch miterfasst. Werden diese Kontraktionen schmerzhafter und stärker und treten alle 20 bis 25 Minuten auf, beginnt die Geburt. Bei Erstgebärenden ist die Phase von menstruationsähnlichen Schmerzen bis zu richtigen Eröffnungswehen oft länger und ausgeprägter als bei Mehrgebärenden.
Bei diesen langen Abständen (20 bis 25 Minuten) zwischen den Wehen haben Sie noch Zeit für folgende Tätigkeiten:
- Verständigen Sie den werdenden Vater, falls er nicht zu Hause ist und bei der Geburt dabei sein soll.
- Bringen Sie die Geschwisterkinder unter.
- Genehmigen Sie sich je nach Bedürfnis einen leicht verdaulichen Imbiss. Auf eine komplette Mahlzeit sollten sie bei einer kurzen Wehenabfolge verzichten, da manchmal eine Vollnarkose bei Geburtskomplikationen notwendig ist.
- Ergänzen Sie Ihre Kliniktasche. Vergessen Sie nicht Ihren Mutterpass.
- Packen Sie dem werdenden Vater oder Ihrer begleitenden Vertrauensperson eine kleine Tasche mit Essen und Trinken. Wenn die Begleitperson auch bei Geburtsbeginn nichts herunterbringt, so kann es doch sein, dass sie bei einer langdauernden Geburt Hunger bekommt. Ein Absinken des Blutzuckerspiegels kann Unwohlsein verursachen und sie hält die Situation im Kreißsaal nicht weiter aus.
- Nehmen Sie sich selbst gegen den Durst geschnittene Zitronenscheiben mit, die sie unter der Geburt lutschen können oder aber Eiswürfel in einer Thermoskanne. Unter der Geburt dürfen Sie nichts trinken.
Wann in die Geburtsklinik?
Auf jeden Fall sollten Sie sofort in die Klinik fahren, wenn:
- eine hellrote, starke Blutung auftritt, bei der vielleicht auch noch Blutklumpen mit herausfließen. Eine solche Blutung deutet fast immer auf eine vorzeitige Plazentaablösung hin.
- die Fruchtblase gesprungen ist. Bei einer Untersuchung im Krankenhaus wird festgestellt, ob ein Nabelschnurvorfall vorliegt.
- die Wehen bereits alle 5 Minuten in regelmäßigen Abständen kommen.
Häufig wird auch die Empfehlung gegeben, bereits die Klinik aufzusuchen, wenn die Wehen in 10 minütigen Abständen kommen. Folgen Sie dieser Empfehlung, wenn Sie weit von der Klinik entfernt wohnen und/oder nicht Ihr erstes Kind auf die Welt bringen. Es kann dann natürlich sein, dass Sie noch Stunden in der Klinik auf die Geburt warten müssen oder sogar wieder von der Hebamme nach Hause geschickt werden, da die Eröffnungswehen sich hinziehen. Kommen Sie allerdings erst bei sehr kurzer Wehenfolge, so bleibt den Geburtshelfern sehr wenig Zeit, bei Komplikationen einzuschreiten.
Rufen Sie immer in der Klinik an, bevor Sie losfahren.
Klinikaufnahme
Melden Sie sich direkt an der Entbindungsstation oder im Kreißsaal, wenn Sie die Klinik erreicht haben. Informieren Sie sich auch unbedingt, wie Sie nachts in die einzelnen Klinikbereiche kommen. Ist der Kreißsaal an einer schwer auffindbaren Stelle im Gebäude untergebracht, führen eventuell Bodenmarkierungen dorthin. Erkundigen Sie sich auf jeden Fall vor der Geburt über die örtlichen Gegebenheiten.
Eine Hebamme wird Sie empfangen und in ein Untersuchungszimmer führen. Sie lässt sich Ihren Mutterpass geben und fragt nach Ihren Personalien, eventuell ist auch schon eine Krankenakte über Sie angelegt worden. In dieser Situation ist es durchaus normal, dass die bis dahin recht regelmäßigen Wehen aufhören. Die unbewusste Angst vor dem, was nun auf die werdende Mutter zukommt, lassen die Kontraktionen ausbleiben. Selbst die unterschwellige Abneigung gegen einen Geburtshelfer kann die Wehen in jeder Geburtsphase zum Erliegen bringen. Einer einfühlsamen Hebamme ist diese Situation durchaus bewusst und Sie wird trotzdem die Aufnahmeuntersuchung durchführen.
Dabei stellt sie fest, wie weit die Geburt schon fortgeschritten ist. Bei einer vaginalen Untersuchung stellt sie die Beschaffenheit und die Weite des Muttermundes fest und überprüft, ob der Kopf des Babys bereits im kleinen Becken ist. Die Herztöne des Kindes werden abgehört, die Körpertemperatur und der Blutdruck der Mutter gemessen, eventuell der Bauchumfang und das Gewicht der Mutter bestimmt. Mit Hilfe dieser Daten und dem Mutterpass legt die Hebamme das Geburtsprotokoll an. Danach wird ein Arzt oder auch die Hebamme mit Hilfe eines CTGs die Wehentätigkeit und die kindlichen Herztöne kontrollieren. Durch eine Ultraschallaufnahme bekommt der Mediziner eine genaue Übersicht über die Lage des Babys, seine Stellung zum Geburtskanal und die Größe des Kindes.
Sind alle Befunde erhoben, wird abgeschätzt, wie weiter zu verfahren ist. Zieht sich die Eröffnungsphase wahrscheinlich noch über Stunden hin, so darf die Schwangere im Klinikbereich umhergehen. Bei sehr kräftigen Kontraktionen bietet man der werdenden Mutter - falls vorhanden - ein Wehenzimmer an. Hier kann sie sich immer wieder hinlegen und zwischendurch auch herumlaufen. Ist mit der Geburt bald zu rechnen, so werden zur Vorbereitung auf den Kreißsaal in vielen Geburtskliniken ein Einlauf gemacht und die Schamhaare teilweise rasiert. Auf diese Prozeduren verzichten heutzutage schon viele Kliniken. Viele Frauen empfinden sie als unangenehm und beschämend. Eine Darmentleerung vor der Geburt ist sinnvoll. Sie wirkt sich positiv auf die Wehentätigkeit aus. Die Uterusmuskulatur kann sich kräftiger zusammenziehen. Ein gefüllter Darm entleert sich zwangsläufig mit den Presswehen. In vielen Kliniken ist es im Kreißsaal üblich, der Frau eine Injektionskanüle in den Arm oder die Hand zu legen. Dies wird als Vorsichtsmaßnahme gesehen, um bei Komplikationen sofort Zugang zur Blutbahn der Gebärenden zu haben.
Geburtsphasen
Eine Geburt lässt sich in drei Abschnitte (Phasen) einteilen: die Eröffnungsphase, die Austreibungsphase und die Nachgeburtsphase.
Eröffnungsphase
Die Eröffnungsphase beginnt mit dem Einsetzen regelmäßiger Uteruskontraktionen und endet mit der vollständigen Öffnung des Muttermundes. Sie ist bei normalem Verlauf der Geburt die längste Phase. Sie kann bei Erstgebärenden 10 bis 12 Stunden dauern, bei Mehrgebärenden 6 bis 8 Stunden. Diese Zeitangaben sind aber nur ungefähre Orientierungszeiten. Die Dauer, bis der Muttermund vollständig eröffnet ist, kann auch wesentlich länger sein, die Eröffnungsphase kann auch nach nur zwei Stunden beendet sein. Während der Eröffnungsphase drückt das Kind ins Becken, der Gebärmutterhals verkürzt sich, bis er verstrichen ist. Der Muttermund beginnt sich zu öffnen. Dabei vollzieht sich die Aufdehnung des Muttermundes nicht kontinuierlich. Für gewöhnlich geht es bei den ersten fünf Zentimeter langsam voran, die nächsten drei schneller und die letzten bis zur vollständigen Eröffnung von 9 bis 11 Zentimetern wieder langsamer. Anfangs sind die Abstände zwischen den Wehen noch groß (10 bis 20 Minuten), sie werden aber immer kürzer und auch schmerzhafter. Um die Schmerzen zu beeinflussen, gibt es natürliche und medizinische Geburtserleichterungen. Nehmen Sie die Gelegenheit während der Wehenpausen wahr und reden sie mit den Geburtshelfern über den Einsatz von Medikamenten oder anderen Geburtserleichterungen sowie über einen Dammschnitt.
Während der Eröffnungsphase werden die kindlichen Herztöne und die Wehentätigkeit entweder ständig oder in Intervallen mit einem CTG (Cardiotokograph) kontrolliert. Die Bewegungsfreiheit ist durch dieses Gerät eingeschränkt. Manche Kliniken verfügen aber auch über ein "mobiles" CTG. Ist die Fruchtblase schon geöffnet so kann die Ableitung des CTG auch intern erfolgen. Dazu wird ein sogenannter Wehendruckkatheter in die Gebärmutter eingelegt und eine kleine Messsonde an der Kopfhaut des Babys angeheftet. Mit sehr heftigen Wehen, die alle ein bis drei Minuten einsetzen und eine Dauer von 60 bis 90 Sekunden haben, erweitert sich der Muttermund die letzten Zentimeter. Das Kind schiebt sich dabei durch den knöchernen Beckenring und drückt auf den Beckenboden und den Darm. Die nächste Phase der Geburt beginnt.
Austreibungsphase
Diese Phase der Geburt dauert ungefähr zwischen 30 und 90 Minuten. Die eigentliche Pressphase nimmt davon etwa die Hälfte der Zeit in Anspruch. Die Art der Wehen ändert sich. Presswehen sind sehr starke Kontraktionen der Gebärmutter, aber sie werden oft als weniger schmerzhaft als Eröffnungswehen empfunden. Die Pausen zwischen den Wehen sind länger und bieten Zeit sich zu entspannen. Ist die Fruchtblase noch intakt, so werden diese Wehen als gedämpfter empfunden als bei geöffneter Fruchtblase. Beschwerden bereitet jetzt der enorme Druck im Unterleib. Die werdende Mutter hat besonders bei den letzten Presswehen das Gefühl, Wasser lassen sowie sich entleeren zu müssen. Die Mutter kann jetzt aber aktiv das Kind mit herauspressen oder durch gezieltes intensives Ausatmen die Geburt unterstützen. Bei dem intensiven Ausatmen spannt sich die Bauchmuskulatur automatisch an, übt Druck nach innen aus und die Bauchpresse wird wirksam. Der Kopf des Kindes dehnt nun die Scheide und wird erstmals sichtbar. Jede Wehe bringt ihn Zentimeter für Zentimeter vorwärts durch die Scheide nach außen. Der Damm, das Gewebe zwischen After und Scheide ist nun bis aufs äußerste gespannt. Damit das Gewebe nicht einreißt, wird die Hebamme dafür sorgen, dass das Kind langsam herausgleitet und den Damm dabei abstützen. Bei besonderen Indikationen wird während einer Wehe ein Dammschnitt durchgeführt, den die werdende Mutter dann nicht spürt.
Nachdem der Kopf den Geburtskanal passiert hat, erscheint zuerst der Hinterkopf, dann die Stirn und zuletzt das Kinn. Mit der nächsten Wehe folgen die Schultern und der übrige Körper. Ist das Baby geboren, fängt die letzte Phase der Geburt an, die Nachgeburtsphase.
Nachgeburtsphase
Die Nachgeburtsphase ist die letzte Geburtsphase. Sie beginnt mit dem Abnabeln des Kindes und endet mit dem Ausstoß der Plazenta.
Die Nabelschnur Die Plazenta und die Eihäute mit der anhängenden Nabelschnur lösen sich ab und werden "geboren". Die Plazenta wird auch als Nachgeburt oder Mutterkuchen bezeichnet. Normalerweise erfolgt die Ablösung der Plazenta durch schmerzlose Wehen innerhalb von fünf bis fünfzehn Minuten nach der Geburt des Kindes. Durch die Kontraktionen der Gebärmutter löst sich die Plazenta von ihrer Haftfläche. Dabei kommt es zu Blutungen, die durch sofort einsetzende Gerinnungsvorgänge und das kräftige Zusammenziehen der Gebärmuttermuskulatur gestoppt werden. Es kann aber auch bis zu einer Stunde dauern, bis die Nachgeburt kommt. Solange keine Blutungen bei der Mutter auftreten, sie sich wohl fühlt und keine Kreislaufprobleme hat, kann abgewartet werden. In den meisten Kliniken wird die Ablösung des Mutterkuchens durch die Injektion eines Wehenhormons (Oxytocin) beschleunigt. Natürlicherweise wird dieses Hormon vermehrt ausgestoßen, wenn das Baby gleich nach der Geburt zum Stillen angelegt wird. Die Plazenta wird von der Hebamme auf ihre Vollständigkeit überprüft. Hat sich der Mutterkuchen nicht vollständig gelöst, ist eventuell eine Ausschabung nötig. Die Nachgeburt ist ungefähr kuchentellergroß, zwei bis drei Zentimeter dick und verfügt über eine perlmutschimmernde Seite, die dem Baby zugewandt war. Nach vollendeter Nachgeburtsphase beginnt das Wochenbett.